Spielwaren Krömer verzweifelt. Nicht, weil die Pandemie dem bayerischen Spielwarenfilialisten so arg zusetzt, sondern über die Politik, die den Spielwareneinzelhandel im Regen stehen lässt. Fragen an Christian Krömer, der den Glauben an Gerechtigkeit verloren hat.
Herr Krömer, ein Hersteller sprach schon vor Wochen davon, dass es für das Familienunternehmen bereits fünf nach zwölf sei. Wie spät ist es bei Krömer?
Christian Krömer: Jedenfalls nicht fünf nach zwölf. Im letzten Jahr haben wir die richtigen Weichen gestellt, vor allem im Digitalbereich und in der Kommunikation mit den Kunden. Damit sind wir gut durch das letzte Jahr und den Lockdown gekommen, auch wenn die Woche vor Weihnachten richtig schmerzte. Angst, nein eher Respekt habe ich vor der Zukunft, weil die politische Misswirtschaft zu nachhaltigen Umsatzrückgängen im stationären Spielwarenfachhandel führen wird.
Soll heißen, die Pandemie sorgt dafür, dass Drogeristen und Discounter, die durchgängig Spielwaren verkaufen konnten, beim Verbraucher gewinnen konnten?
C.K.: Das sehe ich so. Erst gestern habe ich ein Interview mit Dirk Rossmann gelesen, der einräumte, dass Rossmann bei Spielwaren aufgrund der Schließungen der Spielwarengeschäfte stark gewachsen ist. Davor warnen wir seit 12 Monaten. Viele Kunden, die monatelang ihre Spielwaren in der Drogerie oder beim Discounter gekauft haben, werden sich jetzt denken: So schlecht waren die gar nicht. Das wird uns nachhaltig ein paar Prozentpunkte kosten, davon bin ich überzeugt, vielleicht 3 % oder 5 %. In einer Branche, die nicht von Top-Margen und hochpreisigen Artikel lebt, tut das auf jeden Fall weh. Der Fachhandel wurde dauerhaft beschädigt.
Sie glauben nicht mehr, haben Sie gepostet, an die Politik, die immer den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft hervorhebt. Was ist passiert?
C.K.: Ich fühle mich einfach ungerecht behandelt. In den letzten Jahren habe ich immer von allen Seiten gehört, dass der Mittelstand und besonders Familienunternehmen die tragenden Säulen der Wirtschaft sind. Trägt man der Politik vor, was einen schmerzt, nämlich die Ungleichbehandlung, bekommt man, egal mit welchem Politiker man spricht, zu hören: Ja, Sie haben völlig recht! Passieren tut aber nichts.
Sie sind eben nicht too big to fail!
C.K.: Wahrscheinlich. Nehmen wir nur den vergangenen Mittwoch, als Merkel bei der Osterruhe zurückruderte. Am Mittwoch gab es um 7.30 Uhr Schalte mit den Discountern, die davor warnten, einen Tag schließen zu müssen. Um 11.00 Uhr gab es spontane außerordentliche Ministerpräsidentenkonferenz – und die Osterruhe war vom Tisch. Das zeigt mir wieder, der Mittelstand hat keine Lobby. Discounter müssen im ganzen Jahr einen einzigen Tag schließen und gehen deshalb auf die Barrikaden. Dass man sich da ungerecht behandelt fühlt, ist klar.
Kliniken und Intensivmediziner hätten sich am liebsten noch einen härteren Lockdown gewünscht. Was entgegnen Sie denen, die oft am Limit arbeiten?
C.K.: Auch wenn ich mich unbeliebt mache, ich kann die Entscheidungen grundsätzlich mittragen, aber im Handel hätten sie nicht so hart sein dürfen. Wenn selbst ein Ministerpräsident Söder sagt, der Handel sei nicht der Treiber und dass man sich auf ihn sehr verlassen konnten, dann zeigt das, dass der Handel Hygienekonzepte kann. Im gleichen Zuge erlauben wir private Kontakte von zwei Familien plus Kinder unter 14 Jahren, was soviel heißt, dass ich über Ostern zu meinen Schwiegereltern, zu meinen Neffen, zu meinen Eltern oder zu meinem Bruder fahren kann. Ostern kann ich eigentlich alles machen, aber die Geschäfte und die Gastronomie haben geschlossen, während nachweislich die meisten Infektionen in der Privatsphäre erfolgen. Wir können sicherlich nicht sagen, lassen wir doch alles einfach laufen, aber warum wir ausgebremst werden, erschließt sich mir nicht.
Krömer ist gut durchs Jahr gekommen, aber dennoch, welcher wirtschaftliche Schaden hinterließ die Pandemie? Auch neue Weichen brauchen ihre Zeit oder?
C.K.: Die Pandemie hat uns gar nicht so hart getroffen. Das lag auch daran, dass wir im Spielwarenbereich ein wahnsinniges Glück hatten, denn wir zählen nicht zu den großen Verlierern wie der Modeeinzelhandel. Sicherlich sind wir auch keine Pandemie-Gewinner. Spielwaren Krömer ist, glaube ich, finanziell so gut aufgestellt, dass ich sagen kann, wir sind bisher gut und wir werden gut die Krise kommen. Da mache ich mir keine Sorgen. Ehrlicherweise gehört zur Wahrheit auch, dass es sich nicht jeder Spielwarenhändler leisten kann, ein, zwei Leute dafür abzustellen, um sie sich um nichts anderes zu kümmern als um Corona. Da nehmen wir vielleicht eine privilegierte Stellung ein. Nein, Sorgen machen mir die dauerhaften Schäden. Persönlich wäre es mir lieber gewesen, ich hätte einmal einen Verlust gehabt, um anschließend mit neuer Kraft durchzustarten.
Die aktuelle Situation erinnert uns gelegentlich an phlegmatische Jahre, als die Welt von Deutschland als kranken Mann Europas sprach. Nichts bewegte sich. Haben wir wieder das Niveau der Vor-Agenda-2010-Zeit erreicht?
C.K.: Da ist eine interessante Frage, weil wir gerade heute morgen im Büro das Thema Bürokratismus beim Impfen und Testen diskutierten haben. Als Unternehmer würde ich sagen, ja, das stimmt, weil Unternehmer schnelle Entscheidungen treffen, die sofort umgesetzt werden. Nein, weil es auch Politiker gibt, die handeln und machen. Denken sie an den Oberbürgermeister von Rostock, Claus Madsen, oder von Tübingen, Boris Palmer. Aber ich glaube, weniger Bürokratismus täte unserem ganzen Land gut. Trotzdem muss man aufpassen. Ein gutes Beispiel liefert der Impfstoff AstraZeneca. Hätte der eine Notfallzulassung von der EMA erhalten, hätte es beim kurzen Impfstopp garantiert geheißen: Wie konnte das passieren? Generell würde ich mir aber von der Bundesregierung wünschen: weniger reden mehr machen.
Es geht nicht nur beim Impfen und Testen schleppend voran, auch wenn man die Politik in einigen Bereiche in Schutz nehmen muss. Das Land leidet auch in anderen Politikfelder unter einem Reformstau: Bildungsreform, Digitalisierung, Förderalismusreform, um nur einige zu nennen.
C.K.: Da kann ich Ihnen bei allem nur zustimmen. In den letzten Jahren haben uns zu viel Bürokratie angefressen, aber das können wir nicht so einfach zurückdrehen. Man sieht es ja bei der Luca App. Die ist im Nu in Deutschland entwickelt worden, jeder sagt, dass sie gut ist, dann, finde ich, muss die auch am nächsten Tag für jeden zugänglich sein. Da muss der Staat, der derzeit einiges tut, was nicht so ganz rechtens ist, einfach mal den kurzen Dienstweg wählen, wenn man weiß, dass wir die App brauchen, dass jeder Tag, den wir sie eher zulassen, Leben und Existenzen retten kann.
Die Regierung hat die „erweiterte Ruhezeit“ zwar zurückgenommen, aber uns gebeten, von Besuchen und Reisen abzusehen. Was planen Sie mit Ihrer Familie? Steht jetzt „Malle für alle“ auf dem Programm, wenn Rügen schon nicht geht?
C.K.: (lacht) Das würde in der aktuellen Situation für mich absolut nicht in Frage kommen. Mir ist auch nicht nach Urlaub, obwohl ich dringend erholungsbedürftig wäre. Ich freue mich darauf, wenn es wieder so weit ist, aber jetzt müssen wir schauen, dass wir Impfen und Testen auf die Reihe bekommen. Wenn die Bundesregierung sagt, bis Ende September wollen wir allen ein Impfangebot gemacht haben, dann ist als offizielle Sprachregelung in Ordnung, aber intern muss die Motivation ausgegeben werden, dass man bis Ende Juni/Juli allen eins macht.
Herr Krömer, wir bedanken uns für das Gespräch.
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