Der Mensch kann sein anthropologisches Erbe nicht abschütteln. Er braucht seinesgleichen, um sich wohl zu fühlen. Das gilt besonders für Hersteller von Gesellschaftsspielen und Puzzle. Mit den diesjährigen Spieltagen durften sie nach einem Jahr Pause wieder unter Menschen, um zu üben und zu lernen, wie richtiges Leben geht. Fragen an den Vorsitzenden der Fachgruppe Spiel, Hermann Hutter.
Herr Hutter, die Spiel Essen hat eine hohe internationale Bedeutung. Dieses Jahr zeigten nur rund 600 Aussteller ihre Neuheiten, vor zwei Jahren war es fast 1.200. Mit welchen Erwartungen waren Sie angereist? Der Veranstalter sprach von einer besonderen Challenge.
Hermann Hutter: Die Sicherheitsauflagen waren sicherlich eine Herausforderung. Nicht jeder fühlt sich ja wohl, wenn heutzutage mehrere Menschen zusammenkommen. Tatsache war, dass wir Kunden und Partner treffen wollten. Spielen ist etwas Persönliches, Kommunikatives. Auf den Internationalen Spieletagen konnten wir das wieder ein wenig üben und lernen.
Mit welchen Gefühlen sind Erwartungen sind Sie und Ihr Team angereist?
H.H.: Ich hatte keine Angst nach Essen zu gehen, zumal ich schon zwei Fachmessen in diesem Jahr absolviert hatte. Auch das Team hatte keine Probleme damit, wer wollte, konnte kommen und das waren fast alle.
Was macht denn den besonderen Reiz von Essen aus, dass Ihr Verlag ausstellte, während andere namhafte Verlage dieses Jahr der Spiel fern blieben?
H.H.: Messe haben immer zwei Seiten. Die vielen Begegnungen mit den Menschen, die man im Laufe der Jahre kennengelernt hat, sind eine persönliche Bereicherung. Die ein- oder zweimal im Jahr zu sehen, ist immer schön. Auf der anderen Seite sind Messen auch wesentlich für das Geschäft. Aus meiner Sicht ist es sehr wertvoll, wieder direkte Kontakte pflegen zu können statt Menschen nur per Video zu sehen. Im direkten Austausch kann man sie viel besser überzeugen oder begeistern. Außerdem bekommt man auf Messen einen guten Marktüberblick. Es funktioniert quasi wie ein Crash-Kurs in der Branche. Sowohl als Hersteller, aber auch als Händler muss man ein Gefühl für die Branche, die Trends und Produkte bekommen. Das bekommt man am besten auf einer Messe.
Die Warengruppe Games & Puzzle setzt 2021 ihren Höhenflug mit einem bisher zweistelligen Plus fort. Haben wir es womöglich mit einer Blase zu tun, die in der Post-Corona-Ära platzen wird?
H.H.: Nein, wir haben bereits seit geraumer Zeit keinen Lockdown mehr gehabt und trotzdem haben sich die Zahlen nicht nach unten bewegt. Das stimmt mich positiv in der Hinsicht, dass wir gerade während der Lockdowns viele neue Spieler gewonnen haben und die gemerkt haben, dass Spielen sexy ist. Ich glaube, die werden sicherlich auch in Zukunft mehr spielen als vorher. Spiele und Puzzle werden sich auch in den nächsten Jahren auf einem hohen Niveau bewegen. Natürlich wird es nicht jedes Jahr Wachstumsraten von 20 % geben. In den fünf Jahren vor Corona wuchs die Branche aber auch schon durchschnittlich um jährlich 10 % . Der Trend ist ungebrochen.
Wie lauten Ihre Erwartungen für den gesamten deutschen Spielwarenmarkt für 2022?
H.H.: Spielwaren haben in den letzten Jahren einen höheren Stellenwert bekommen. Eltern legen mehr Wert auf gute Qualität, sie wollen ihren Kindern Gutes bieten. Natürlich wurde die Entwicklung 2020 und 2021 davon beflügelt, dass man das Geld nicht woanders ausgeben konnte, aber ich glaube, dass wir das hohe Niveau halten können, vielleicht in dem einen oder anderen Jahr sogar ein Plus erzielen.
Auf der virtuellen PK der Messe haben Sie angekündigt, dass Lieferkettenprobleme sowie die Knappheit und Preise bei Containern zu Preissteigerungen führen. Wird’s knapp zu Weihnachten?
H.H.: Nicht jedes Spiel wird zu jeder Zeit verfügbar sein. Manche Spiele kommen später in den Markt als ursprünglich geplant oder manche sind einfach ausverkauft, aber es gibt genügend Alternativen. Unsere Neuheiten kommen ein, zwei Wochen später. Manche Themen hätten wir ins nächste Jahr geschoben, wenn wir gewusst hätten, dass wir es bis zu Weihnachten nicht mehr fertigkriegen. Das Thema Preissteigerungen wird natürlich sehr stark von den Containerpreisen getrieben. Ein 20 Fuß Container kostet uns jetzt 9.000 $ Dollar. Umgerechnet auf ein Spiel heißt das 2,80 Euro Transportkosten statt 80 Cent. Das muss sich natürlich irgendwann auch im Verkaufspreis wiederfinden. Meine Hoffnung ist, dass sich die Situation im Frühjahr normalisiert. Zurzeit sind die Gewinner Maersk, Evergreen und andere Reedereien.
Die Druckaufträge für's nächste Jahr haben Sie wahrscheinlich auch schon lange unterschrieben, weil Papier knapp ist?
H.H.: Bis jetzt geht es noch, aber das Problem rollt auf uns zu. Den Jahreskatalog, den wir normalerweise im Dezember drucken lassen, haben wir schon im September bestellt, weil man zwei, drei Monate Lieferzeiten einkalkulieren muss. Die Hersteller wissen, dass sie auf Vorrat produzieren müssen. Es herrscht eine gewisse Hamstermentalität, aber irgendwann sind die Läger auch voll.
Früher ging am stationären Botschafter und Markenmacher, dem Fachhandel, kein Weg vorbei. Die Pandemie zeigte, es geht auch ohne ihn. Wird die Verschiebung der Umsatzanteile bei den Vertriebswegen zu einem Problem?
H.H.: Natürlich ist es nicht schön, dass es immer weniger Händler gibt. Ich glaube aber, dass die guten Händler überleben werden und dass die Händler, die vorher schon nicht gut aufgestellt waren, aufhören oder gezwungen werden aufzuhören. Die Markmacht eines großen Anbieters ist inzwischen sehr bedenklich, aber es bilden sich immer wieder neue Marktplätze, wo Spiele verkauft werden können. Natürlich haben es die Hersteller einfacher, weil sie sich den neuen Kanälen leichter anpassen können. Der stationäre Handel hat es da schwerer, weil er auf seinen Kanal angewiesen ist. Ich erlebe aber gerade bei Spezialisten, dass sie immer stärker selber online präsent sind. In unserer Buchhandlung ist z. B. der Online-Anteil auf 10 % hoch gegangen. Gut, das sind keine 30 %, aber vorher waren es 2% oder 3 %. Die stationären Händler müssen hier verstärkt investieren.
Herr Hutter, wir bedanken uns für das Gespräch.
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