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  • AutorenbildUlrich Texter

"Corona beschleunigt die Digitalisierung der Händler"

2021 wird für die VEDES nicht völlig „normal“. Impfstoff hin oder her. Der Konzern verspricht dafür beim Ergebnis ein Stück „Normalität“. Intern wirkt die Krise als Evolutionsbeschleuniger. Angeschlossene Händler mit „Digitalallergie“ entdecken jetzt, dass es nicht mehr ohne geht.

 

Herr Märtz, 2019 trugen alle Vertriebswege zum Wachstum der VEDES bei. Warum konnten die „sonstigen“ Ver­triebswege nicht das kompensieren, was der VEDES Großhandel durch den Lockdown bei den Spielzeugfachgeschäften einbüßte?

Thomas Märtz: Der Lockdown führte zwangsläufig dazu, dass die Fachhändler sowohl weniger direkt bei den Her­stellern als auch beim VEDES Großhandel eingekauft haben. Einen Teil der Umsatzeinbußen im Großhandel konnten wir tatsächlich in den Vertriebs­bereichen Lebensmitteleinzelhandel und online kompen­sieren, aber natürlich nicht im vollen Umfang. Da wir ca. 60 % unseres Großhandels­umsatzes mit dem Fachhandel, d. h. den Mitgliedern von VEDES, Spielzeugring, Spiel & Spass und idee+spiel, machen, ist diese Entwicklung wenig überraschend. Insgesamt gehen wir für 2020 von Umsatzeinbußen im Konzern von ca. 5 % bis 10 % gegenüber dem Vorjahr aus.


Der Lockdown hat alle Prognosen verhagelt. Jetzt stecken wir in einer Art „Lockdown light“. Wird das Konzernergebnis noch tiefer in die roten Zahlen rutschen wie im Halbjahresbericht ausgewiesen?

T.M.: Natürlich haben sich die Geschäftserwartungen durch den Lockdown im Frühjahr und den aktuellen Lockdown light verschoben. Die Umsatzentwicklung nach Wiederöffnung der Ladengeschäfte im Frühjahr hat sich erfreulicherweise in den anschließenden Monaten stabilisiert. Wir hoffen deshalb trotz aller Unwägbarkeiten auf ein „normales“ Weihnachtsgeschäft. Für das Jahr 2020 prognostizieren wir ein negatives Konzernergebnis für 2020 in einer Größenordnung zwischen 3 und 4 Mio. €.


Dem Handel fehlt es derzeit an allem: an Kunden, Frequenz, Umsatz. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass das Weihnachtsgeschäft für die 900 Geschäfte der VEDES nicht ins Wasser fällt?

T.M.: Der große Unterschied zum Lockdown beim Ostergeschäft im Frühjahr ist, dass aktuell im Weihnachtsgeschäft die Läden geöffnet sind. Damit kann der Fachhandel grundsätzlich auch Umsätze im Weihnachtsgeschäft machen. Gleichwohl müssen wir feststellen, dass sich in der Krise Umsätze vom Fachhandel in Richtung online verschoben haben. Andererseits hat diese Entwicklung auch dazu beigetragen, dass die Krise als Evolutionsbeschleuniger für die Digitalisierung im Fachhandel wirkt. Viele Fachhändler haben in der Krise eine digitale Shop-Lösung etabliert, um sowohl Online- als auch Offline-Umsätze erzielen zu können. Ich bin überzeugt, dass diese Händler im Weihnachtsgeschäft Chancen haben.


Ihr Optimismus in Ehren, aber der große Gewinner kommt aus Seattle!

T.M.: Das stimmt, während des Lockdowns im Frühjahr war das so. Hinzu kam, dass z. B. auch DM-Märkte im Ostergeschäft wettbewerbswidrig Spielwaren verkauften, während die Fachgeschäfte staatlich angeordnet schließen mussten. Jetzt im aktuellen „Lockdown light“ im Weihnachtsgeschäft besteht wenigstens wieder eine Chancengleichheit für den Fachhandel, sofern das Infektionsgeschehen im Dezember keine zusätzlichen staatlichen Maßnahmen mit einer erneuten Schließung der Geschäfte notwendig macht. Angesichts der Tatsache, dass sich viele VEDES und Ring Fachhändler mit unserer digitalen VEDES Shop-Lösung ausgestattet haben, bin ich relativ optimistisch.


Mag sein, aber das Online-Geschäft, auch bei Spielwaren, läuft primär über den amerikanischen Giganten!

T.M.: Amazon macht seine Umsätze im Spielwarenbereich überwiegend mit den Top-Marken. Abgesehen von diesen großen Lieferanten ist die Spielwarenbranche vorwiegend mittelständisch geprägt. Ich wage zu bezweifeln, dass kleinere Spielwarenhersteller die hohen Anforderungen von Amazon hinsichtlich der Belieferung erfüllen können. Die VEDES deckt im Großhandel das gesamte Sortiment ab. Im Übrigen hat man ja im Frühjahr gesehen, dass Amazon sich auf die finanziell lukrativere Lieferung von Bedarfsartikeln konzentriert hat, während der Einkauf von Spielwaren eher in den Hintergrund gerückt ist.


Die VEDES hat, so der Halbjahresbericht, liquiditätssichernde Maßnahmen ergriffen. Dazu zählen auch Einsparungen beim Personal. Wird das Headquarter in Nürnberg verschlankt?

T.M.: Natürlich haben wir wie alle Unternehmen in der Corona-Krise unsere Einkaufspolitik der veränderten Umsatzerwartung angepasst. Gleichzeitig haben wir die gesamte Kostenstruktur an die verminderten Umsatzerwartungen angepasst, damit wir bereits nächstes Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Das heißt zwangsläufig auch, dass wir wie viele andere Unternehmen Per­sonalkosten einsparen müssen. Ein Blick auf die stabile Kursentwicklung der VEDES Anleihe in der Krise zeigt, dass auch der Kapitalmarkt die von VEDES eingeleiteten Maßnahmen positiv bewertet.


Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, auch in Nürnberg?

T.M.: Im Hinblick auf die Umsatzerwartungen sind wir vorsichtig; was das Ergebnis anbelangt, sind wir eher optimistisch gestimmt. Es ist unrealistisch, davon auszugehen, dass wir bereits 2021 wieder das Vor-Corona-Umsatzniveau er­reichen können. Selbst wenn Anfang des Jahres ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird es noch eine Weile dauern, bis wieder Normalität in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben einkehren wird.


Der Flurfunk will wissen, dass sich die VEDES vom Babyhartwarengeschäft verabschieden möchte. Was ist dran an diesem Beitrag? Und bleibt der Showroom in Bielefeld erhalten?

T.M.: Mit unserem Kooperationspartner EK/servicegroup sind wir im Gespräch, wie wir diesen wichtigen Sortimentsbereich weiter optimieren können. Sobald die Ergebnisse spruchreif sind, werden wir entsprechend kommunizieren. Den Showroom wollen wir aus heutiger Sicht weiter betreiben, aber letztlich hängt alles auch vom weiteren Verlauf der Corona-Krise ab.


Der HDE sieht die Zukunft ziemlich düster. Von bis zu 50.000 Insolvenzen ist die Rede. Droht auch der VEDES ein Aderlass?

T.M.: Aktuell sehe ich bei unseren VEDES und Spielzeugring Häusern keine Anhaltspunkte dafür, dass es durch die Krise zu unverhältnismäßig vielen Geschäftsaufgaben kommt. Auch die Rückmeldungen der DZB stimmen mich optimistisch, dass sich unsere Mitglieder in der Corona-Pandemie vergleichsweise gut behaupten. Es ist, wie gesagt, entscheidend, wie sich das Infektionsgeschehen in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Mitglieder sich auf die aktuelle Situation eingestellt haben und die Krise mit unternehmerischer Tatkraft meistern werden.


Herr Märtz, wir bedanken uns für das Gespräch.

 


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