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  • AutorenbildUlrich Texter

Der Wind bläst schärfer!

Geschäftsschließungen gehören nicht erst seit dem Aufkommen des Online-Handels oder der Pandemie zum Spielwaren-Einzelhandel. Bitter ist es aber, wenn eine erfolgreiche, inhaberge­führte „Marke“ wie der Hüüldopp den Schlüssel umdreht und die Kunden vor lauter Bedauern den Laden stürmen. Geht davon eine Signalwirkung für die Stadt und die Branche aus?

 
Eine Ära geht zu Ende … Nach 33 Jahren ist für Birgit und Ralf Brender Ende September Schluss mit Hüüldopp in Krefeld. Was wird nur aus unseren Städten und dem Einzelhandel?

Herr Brender, vor drei Jahren, als Sie das 30-jährige Bestehen von Hüüldopp feierten, hieß es, die Geschichte des Geschäftes soll weitergehen. Jetzt schließen Sie Ende September. Was ist passiert?

Ralf Brender: In erster Linie sind wir drei Jahre älter geworden und beide mittlerweile im Rentenalter. Das ist der eigentliche Grund. Es war immer wieder mal im Gespräch, dass unsere Töchter einsteigen, aber beide sind in festen Anstellungen.


Warum ist es dem renditebewussten Händler mit Bauchgefühl nicht gelungen, einen externen Nachfolger für das Geschäft zu finden?

R.B.: Natürlich haben wir eine ganz Reihe von Gesprächen mit externen Interessenten ge­führt. Darunter fanden sich auch einige Klassiker: Schafft man das nicht auch mit weniger als 40 Stunden pro Woche? Das geht doch auch begleitend oder? Wäre das was für meine Frau? Der eigentliche Grund ist aber die Situation seit Anfang/Mitte letzten Jahres. Corona und das veränderte Kundenverhalten haben die Menschen vorsichtiger werden lassen. Ich glaube, wer jetzt ein Geschäft weiterführt, muss sich online besser aufstellen als wir es getan haben. Das muss nicht unbedingt ein Verkaufsshop, es kann auch ein Präsenzshop sein. In den Ge­sprächen habe ich zwar in erster Linie die Chancen betont, aber auch aufgezeigt, welche Auf­gaben für die Zukunft anstehen. Mittlerweile haben es ja auch Omas und Opas verstanden, dass man nicht in die Öffentlichkeit muss, sondern online bestellen kann.


Also Amazon & Co. waren nicht der Grund, warum Sie am 30. September den Schlüssel umdrehen?

R.B.: Nein.


Was haben Sie sich von Ihren ARS-Kollegen anhören müssen, dass Sie von der Fahne gehen?

R.B.: Der Hüüldopp war ziemlich von Anfang an beim ARS, insofern sind wir gut vernetzt. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Im Grunde genommen waren sie aber positiv. Ich glaube, man muss einfach den richtigen Zeitpunkt zum Absprung finden. Natürlich fällt es schwer und vermutlich würde ich noch mit 75 im Laden stehen, so es die Gesundheit erlauben würde. Tatsache ist aber, dass es noch was anderes als Arbeit gibt, selbst wenn es eine Arbeit war, die man immer gerne gemacht hat.


Sie haben es geschafft, aus dem Hüüldopp eine Marke für gutes, richtiges Spielzeug zu machen. Befürchten Sie, dass von der Schließung eine negative Signalwirkung ausgeht, sowohl für die Stadt als auch für die Spielwarenbranche.

R.B.: Das ist eine sehr schwierige Frage, die wir mit sehr vielen Kunden und Kollegen, im Einzelhandelsverband und Gremien der Stadt diskutiert haben. Letztendlich sind wir einer von vielen Einzelhändlern, die schließen. Ich sehe jetzt schon eine Menge Leerstand in Krefeld und ich mag gar keine Prognose abgeben, wenn Ende 2021 abgerechnet wird. Ich will nicht über­heblich klingen, aber ich denke schon, für die Stadt ist es jammerschade, dass ein weiteres inhabergeführtes und über einen so langen Zeitraum gut funktionierendes Geschäft schließt.


Was könnte eine Stadt leisten, damit sich der Trend umkehrt?

R.B.: Städte müssen viel mehr Anstrengungen zeigen und Nachfolgern, jungen Leuten und Startups was an die Hand zu geben, um sie für den Handel zu gewinnen. Und der bestehende Handel muss endlich Anerkennung erfahren, denn er ist es auch, der eine Stadt attraktiv macht.


Und welche Wirkung hat es womöglich für die Spielwarenbranche?

R.B.: Das weiß ich nicht, ob es überhaupt eine Wirkung besitzt. Es wäre etwas anderes, wenn wir Insolvenz bedingt aufgeben müssten. Wer weiß, mit welchem Aufwand es verbunden ist, wieviel Herzblut und Engagement es braucht, um ein solches Spielwarengeschäft gewinn­bringend zu führen, der weiß auch, dass es nicht einfach ist, jemanden zu finden, der das mit dieser Leidenschaft in der heutigen Zeit weitermacht.


Ich möchte mit Ihnen einen Blick zurück riskieren. Was hat sich beim Spielzeug in den letzten 33 Jahren verändert?

R.B.: Heute muss man noch stärker missionarisch wirken, um die Bedeutung von Spielzeug den Kunden nahezubringen. Als wir begannen, zunächst als reiner Holzspielzeugladen, war das Spielzeug nicht unbedingt sehr differenziert. Es gab einfache Formen, die die Fantasie der Kinder anregen sollten. Wenn sie nur Käthe Kruse aus dieser Zeit sehen, da kam keiner auf die Idee, eine sprechende, Pippi machende oder sich selbst bewegende Puppe auf den Markt zu bringen. Im freien Spiel sollten Kinder ihre Fantasie nutzen und das Spielzeug interpretieren.


Heißt, heutiges Spielzeug gibt Kindern stärker vor, wie sie zu spielen haben?

R.B.: Mit Pauschalisierungen wäre ich vorsichtig, aber der Trend geht dahin, ja.


Und was hat sich in der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Fachhandel in diesen 3 Jahrzehnten verändert?

R.B.: Ich glaube, damals war es für alle Seiten einfacher. Für den Handel war klar, was man wo wie von wem bekam. Der Druck hat in den letzten 30 Jahren enorm zugenommen, auch durch den Online-Handel. Damit haben sich neue Absatzmärkte aufgetan, der Markt ist sehr viel größer, aber auch viel schneller und das Angebot ungleich vielfältiger geworden. Anfäng­lich spielte Spielzeug aus Fernost noch keine so große Rolle; jetzt stehen die europä­ischen Hersteller in Konkurrenz mit Asien. Sie mussten sich im Markt anders positionieren und neue Absatzmärkte finden. Aber es ist nicht so, dass es vor 33 Jahren keinen Druck gab, aber der Wind ist deutlich schärfer geworden.


Sie sind gelernter Lehrer für Bio. Was werden Sie im neuen Leben anstellen? An der nächsten Studie zum Insektensterben des Krefelder Entomologischen Vereins mitarbeiten? Die erste hat es ja weltweit in die Schlagzeilen gebracht!

R.B.: (lacht) Der Entomologische Verein muss noch warten, aber mein Interesse gilt der Biologie nach wie vor. Wir gehen da ganz offen ran, ohne große Pläne zu haben. Langweilig wird es uns nicht, weil wir noch ein paar Dinge zu erledigen haben. Zudem waren wir immer in verschiedenen Gremien sozial engagiert und haben einen entsprechenden Freundes- und Bekanntenkreis. Da fühlen wir uns ganz gut aufgehoben.


Noch eine Botschaft an die Spielzeug-Fachhändler, die weiter die Fahne hochhalten?

R.B.: Seid eure eigene Marke! Lasst die Finger von irgendwelchen Großtrends, die gerade als das Nonplusultra verkauft werden, aber die in dem Moment, wo sie aufploppen, keine Rendite bringen und ohne Rendite funktioniert kein Handel. Schafft selber Trends in eigenem Umfeld. Das funktioniert nach wie vor.


Herr Brender, wir bedanken uns für das Gespräch.

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