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AutorenbildUlrich Texter

Time to say goodbye

„Mr. Spielwarenmesse“, Ernst Kick, der die Messe in knapp 20 Jahren zur unbestrittenen weltweiten Number One geformt hat, sagt am 30. Juni 2021 Servus. Ein neues Ziel hat er schon. Zukünftig will er in den familiären Töpfen rühren.

 
Die ausscheidenden Vorstände der Spielwarenmesse, Dr. Hans-Juergen Richter (l.) und Ernst Kick (r.), haben ab sofort mehr Zeit für Koch- und Schlemmerkurse, um sich auch als Privatiers in Form zu halten.

Herr Kick, 1988 galten Sie bei der Messe München als schwer vermittelbar, um in Herzogenaurach als Marketing-Newcomer mit Handball-Background Karriere zu machen. War es Zufall oder hatten Sie einfach Glück, dass Sie erst die Münchner, Jahre später die Nürnberger wollten?

Ernst Kick: Wie meistens im Leben sind Glück und Zufall eng miteinander verbunden. Die wenigsten Dinge lassen sich tatsächlich richtig planen, weil sie von außen beeinflusst werden. Es war einfach Glück, dass ich jemanden bei der Messe München kannte, der die ISPO organisierte. Aber es stimmt, ich wollte mich in Herzogenaurach bewerben; zuvor wollte die Messe München aber mit mir sprechen. Aus dem Gespräch wurde eine Anstellung. Der Rest ist Geschichte.


Stellen Sie sich vor, mit Adidas hätte es doch geklappt. Womöglich wären Sie heute Präsident des FC Bayern, zwar mit einem starken Berater an Ihrer Seite, aber mit viel mehr Followern als die Spiel­warenmesse je an Besuchern erreichen wird. Haben Sie nicht etwas verpasst oder bot die Messe genauso viel Hollywood wie die Säbener Straße?

Ernst Kick: (lacht) Um Gottes Willen, ich habe überhaupt nichts verpasst, ganz im Gegenteil, denn ich habe den tollsten Job der Welt gefunden, der so variantenreich, vielfältig und international ist wie kaum ein anderer und in dem ich mit so vielen kreativen Menschen auf Top-Führungsebene zusam­mengekommen bin. Ich habe nichts versäumt, sondern nur gewonnen.


Und Hollywood?

Ernst Kick: Na ja, die eine oder andere Show musste man schon bieten, um die Menschen für neue Ideen zu begeistern und mitzunehmen. Das ist völlig klar, dennoch orientierte sich alles am Business und den Erfolg. Das, was mir immer wieder Spaß gemacht hat, sind die sehr marketingorientierten und international ausgerichteten Dienstleistungen, um die Welt und die Menschen für unsere Ideen und unsere Messe zu gewinnen.


Die elementare Funktion von Messen haben sich nicht geändert. Angebot soll Nachfrage treffen. Was hat sich in den 20 Jahren dennoch unter Ihrer Ägide getan, um dieses Rad in Schwung zu halten?

Ernst Kick: Bei der Spielwarenmesse hat sich in den 20 Jahren tatsächlich sehr viel verändert. Das fängt damit an, dass wir uns von einer sehr verwaltungs- zu einer marketingorientierten Organisation gewandelt haben. Die Vertriebsstrukturen sind von Kartenvorverkaufsstellen zu einem heute weltweiten Vertriebsnetz in über 100 Ländern umgestellt worden. Wir haben Tochtergesellschaften im Ausland gegründet, organisieren Auslandsmessen, und wir sind von einem 16- zu einem heute 60-köpfigen Unternehmen allein im Headquarter gewachsen. Dazu sind wir in neue Bereiche einge­stiegen wie das Beispiel der Werbeagentur Die Roten Reiter zeigt. Das sind alles Dinge, die es vorher nicht gab. Und dann haben wir noch ein Team, das sehr begeistert, effizient und kreativ nach vorne schaut.


Welche Schritte oder Weichenstellungen betrachten Sie rückblickend als besonders wichtig? Die Internationalisierung, die Gründung der Auslandsgesellschaften, die Diversifikation oder den Ausbau des Messegeländes mit der Unterstützung der Spielwarenmesse?

Ernst Kick: Unser Unternehmen lebt in erster Linie von der Spielwarenmesse. Das ist unsere wichtigste Veranstaltung und der Kapitalträger für das Unternehmen. Die wesentlichste Funktion, die wir damals definiert haben, war, dass wir die Spielwarenmesse als Weltleitmesse positioniert haben, mit all seinen Facetten und neuen Inhalten, die dazu gehören. Die Spielwarenmesse sollte die höchste Internationalität und Wirksamkeit erreichen, um als Weltleitmesse anerkannt zu werden.


Seit Mitte Juni ist es in trockenen Tüchern. Es gibt 2022 einen Gemeinschaftsstand in New York im Rahmen des World of Toy Programms, an dem Sie mehrere Jahre gearbeitet haben. Ist das ein kleines Highlight zum Abschluss Ihrer Karriere als Vorstandsvorsitzender?

Ernst Kick: Wir werden mit New York eine neue Veranstaltung mit unserem World of Toys Programm bedienen. Natürlich freut es mich, dass die Expansion weitergeht, aber ich freue mich vor allem, dass es in erster Linie von meinen Nachfolgern initiiert wurde und jetzt umgesetzt werden kann. Das ist ein kleines Bonbon zum Schluss.


An was haben Sie sich in Ihrer Amtszeit die Zähne ausgebissen oder was hat Ihnen viel Kraft ge­kostet? Die Anpassung der Genossenschaft an heutige Marktstrukturen? Die Balance zwischen den Interessen der Big Player und den Nischen-Kings zu finden?

Ernst Kick: Die Fortführung und die Modernisierung der Genossenschaft hat eigentlich nicht viel Kraft gekostet, weil alle an einem Strang gezogen haben. Ich kann mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern oder muss ganz weit zurückgehen, dass wir in unseren Generalversammlungen nicht eine einheitliche Meinung zu den von uns vorgestellten Konzepten gehabt hätten. Und auch die unter­schiedlichen Vorstellungen der Key Accounts und unserer kleineren Kunden waren es nicht, die Kraft kosteten. Das ist Messegeschäft und in diesem Geschäft hat man es immer mit diversifizierten Interessen zu tun, die man unter einen Hut zu bringen versucht.


Was dann?

Ernst Kick: Was mich wirklich Nerven gekostet und mich auch geärgert hat, war die Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Partnern im Rahmen der Shanghai Expo. Das hat nicht gut funktioniert. Das Verständnis der Chinesen von einer Win-win-Situation war einfach die, dass sie gewinnen und wir bezahlen. Das hatte kein gutes Ende, was natürlich schade war, weil wir den Schritt in den chinesischen Markt nicht weiter fortsetzen konnten. Das hat mich richtig gewurmt und bedeutete für uns einen strategischen Nachteil.


Sie übergeben das Ruder in einer schwierigen Zeit. Die Messen erleben einen Digitalisierungsschub. Auch die Spielwarenmesse goes digital. Als Messe-Junkie, als den Sie sich bezeichnen: Ist die Messe gelesen, weil wir nur noch zoomen, teammeeten, skypen oder wird alles wieder wie vorher?

Ernst Kick: Nein, es wird nicht alles wie zuvor. Ich glaube, dass es in der Messelandschaft Veränder­ungen geben wird. Zum einen muss sich die Internationalisierung erst wieder erholen, zum anderen schreiten wir mit der Digitalisierung der Messen voran. Zukünftig, glaube ich, wird es eine Mischform zwischen Präsenzmesse und zusätzlichen digitalen Informationskomponenten geben, die dazu führen wird, dass sich die Reichweite von Messen vergrößert und die Messen selbst in der Lage versetzt werden, das Informationsmanagement noch besser zu betreiben als es heute der Fall ist. Die Zukunft der Messe ist hybrid, Präsenz plus Erweiterung durch digitale Komponenten.


Die Basis liefert also weiterhin die Präsenzmesse und die digitale Erweiterung dient als Add-on und zusätzliche Serviceleistung des Messeveranstalters?

Ernst Kick: Ja, so sehe ich das. Digitale Formen werden die Messe nie ersetzen können, sondern sie ergänzen. Ich kann mich noch an die ersten Diskussionen erinnern, als das Thema Internet aufkam. Auch damals hieß es, dass das Internet die Messen ersetzen wird. Das genaue Gegenteil war der Fall. Die Messen nutzten das Internet, um Informationen an die Kunden weiterzugeben. Gleiches geschieht jetzt mit dem hybriden Ansatz, mit dem wir Unternehmen besser positionieren und Produkte besser kommunizieren können. Messen erreichen so eine größere Zielgruppe als vorher. Die Digitalisierung geht jetzt zwar schneller voran als gedacht, aber wir hatten solche Aktionen schon vor zwei Jahren in unseren Konzeptionen. Es heißt jetzt nur nicht mehr Messe 2030, sondern 2022. Die Spielwarenmesse ist darauf vorbereitet und wird es entsprechend umsetzen.


Ist mit dem 30. Juni 2021 definitiv Schluss für Sie oder geht es dann mit strategischer Messeberatung erst richtig los, weil Sie dann für nichts mehr direkt verantwortlich sind, aber zu allem etwas sagen dürfen?

Ernst Kick: (lacht) Nein, ganz ehrlich, dann ist wirklich Schluss. Ich möchte nicht, dass meine Nach­folger von mir dann noch in irgendeiner Form beraten werden wollen. Sie müssen ihren eigenen Weg gehen und ich möchte meinen privaten Weg finden, aber nicht noch in irgendeiner Form umher­kaspern. Für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der durch private Aktivitäten geprägt wird und sich insbesondere auf meine zwei Enkelkinder und Reisen mit meiner Frau konzentriert.


Die Kunden wollen betreut werden. Dieser Satz stammt von Ihnen. Was haben Sie denn ab Juli konkret vor, damit Sie sich richtig betreut fühlen? Mehr kochen, mehr Lagunen und Riffe erkunden oder einfach mit Ulrich Maly eine Selbsthilfegruppe aufmachen, um das Rentnerleben zu genießen?

Ernst Kick: (lacht) Das ist jetzt ein Witz oder? Meine Frau und ich treffen uns heute Abend mit Ulrich Maly und seiner Frau, so dass wir uns ja über sein schon begonnenes und mein vor mir stehendes Rentnerdasein sprechen können. Aber ja, Kochen ist das eine, da bin ich mit Sicherheit immer dabei. Reisen ist das andere und das dritte ist die Familie mit meinen Kindern, die alle, Gott sei Dank, in München, also in greifbarer Nähe leben.


Last but not least, stimmt es wirklich, dass Handball viel besser ist als Fußball und Handballer dazu auch noch besser kochen können, weil Sie bei Ihrem Spiel mehr mit dem Kopf arbeiten?

Ernst Kick: (lacht) Als Handballer kann ich nur sagen, dass Ihre Frage richtig und die Aussage absolut zutreffend ist. Handballer sind schneller, sie sind weniger verletzungsanfällig, zu mindestens, wenn ich die direkten körperlichen Attacken betrachte, und Handball ist unglaublich dynamisch, in den letzten Jahren noch dynamischer geworden. Und dass ein Handballer gut kochen kann, hängt einfach damit zusammen, dass Kreativität auf Kreativität trifft.


Herr Kick, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt alles Gute.

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